"Black Panther 2: Wakanda Forever": Kleine Flügelchen flattern an seinen Knöcheln (2024)

In den Marvel-Comics sinnt Namor, der Sub-Mariner, auf Rache an den Menschen, weil im Zweiten Weltkrieg ein Teil seines Reichs Atlantis zerstört wurde. Im Film hat sich einst Namors Mutter, die Herrscherin über ein Reich in Zentralamerika, in Erwartung der spanischen Conquista mit ihrem Volk ins Meer zurückgezogen. Passend zum Grundthema von Black Panther bekommt der melancholische Sub-Mariner, eine der ältesten Marvel-Figuren und einer der ersten echten, ewig ambivalenten Antihelden der Reihe, eine Vorgeschichte als Opfer des Kolonialismus.

Der wütende Wassermann wird zum Rachegott der Maya und Azteken, sein Tiefseereich Talocan zur Allegorie für eine im wahrsten Wortsinn versunkene Hochkultur. Obwohl man sich an Wakanda längst noch nicht sattgesehen hat, verlagert sich der Handlungsort: Viele Schlüsselszenen finden nun im oder auf dem Atlantik statt. Während vor allem das elegante Frauenheer von Wakanda wieder allerhand Beeindruckendes mit Speeren anstellt, kommen die muschelbehängten Kämpfer aus Talocan mit ihrem Federkopfschmuck auf Buckelwalen angeritten und treiben ihre Feinde mit Geräuschangriffen in den Wahnsinn wie perfide High-End-Sirenen. Wenn das Heer von Talocan Wakanda angreift, fluten Wassermassen gleich einer biblischen (oder gar klimawandelbedingten) Plage das Land. Einmal mehr werden in all dem Durcheinander Schwarze, diesmal zusätzlich auch lateinamerikanische Superhelden als optische Norm gesetzt. Einmal mehr auch staunt das Publikum über schlichtweg fantastische Bilder.

Der US-Kritiker Robert Barry hat einmal geschrieben, dass man den Film Black Panther als Versuch sehen könne, die verschiedenen Strömungen der Schwarzen Befreiungsbewegung in der Mitte des 20. Jahrhunderts miteinander zu versöhnen: Auf der einen Seite den irdischen Ansatz der Black Panther Party, auf der anderen die utopische Idee von Sun Ra, der sein Heil an einem Gedankenort außerhalb der Erde suchte. In der Realität waren beide Ansätze schwer miteinander vereinbar, was dazu führte, dass Sun Ra nicht viel für die Bewegung übrig hatte. Die Black-Panther-Reihe macht genau die Ästhetik zwischen der wehrhaften, hochfunktionalen Strenge der Wakandaner und der gütig gleißenden Schönheit ihres Traumreichs so unwiderstehlich.

Nach ähnlichen ästhetischen Prämissen wird in Wakanda Forever nun auch Talocan aufgebaut. Bei Tauchgängen durch das Meeresimperium entstehen viele der berührendsten Bilder des Films: Die versunkene Nation ist ein unergründlich dunkler Ort mit künstlicher Sonne, bewohnt von freundlichen Wesen, die in der Tiefe so irreal weichgezeichnet aussehen, als sei ihre Welt eine entfernte Erinnerung an etwas Schönes und Großes. Gut gerüstet mit Empathie für die Gegner Wakandas schlittert man als weiße Zuschauerin mitten rein ins Unbehagen. Denn letztlich handelt Wakanda Forever vom Krieg zweier Nationen, denen weiße Aggressoren an den Kragen wollen. Doch statt eine friedliche, antikoloniale Allianz zu bilden (oder, angesichts der Dauerbedrohung: überhaupt bilden zu können), geraten sie in eine blutige Auseinandersetzung miteinander.

Zur Heldin inmitten des Chaos wird Shuri (Letitia Wright), die kleine Schwester des verstorbenen Black Panther, die schon im ersten Teil eine Modernisiererrolle eingenommen hatte. Shuri ist ein Technikgenie, verpasst ihren besten Kriegerinnen zeitgemäße, wenig Wakanda-typische Kostüme und kann auch sonst mit Traditionen und Ahnenkult wenig anfangen. Es ist vor allem ihre Figur, die Wakanda Forever gegen potenzielle Kitschvorwürfe immunisiert.

Erheiternd ist hingegen der Umgang mit einer der wenigen weißen Figuren im Film. Der CIA-Agent Everett K. Ross (Martin Freeman) wird, wie schon im ersten Teil, früh eingeführt, lange vergessen, schließlich in Bedrängnis gebracht und kurz vor Ende pflichtschuldig aus seiner misslichen Lage befreit. Es ist unklar, ob sein Charakter dazu dient, in der Black-Panther-Welt zu beweisen, dass Weiße zwar oft trampelig in Schwarzen Räumen herumlaufen, aber nicht zwingend Bösewichte sind – oder ob man einfach mal eine weiße Nebenfigur so halbherzig gimmickhaft behandeln wollte, wie es in Dutzenden anderen Filmen mit Schwarzen Charakteren aus der zweiten Reihe passiert.

Überhaupt ist das Wundervolle in Wakanda: Man kann sich in diesem Universum schlichtweg dem Bilderrausch ergeben oder aber alles mit Bedeutung aufladen und ausdeuten. Etwa die Tatsache, dass T'Challas Ex-Freundin Nakia (Lupita Nyong'o) in Haiti arbeitet, dem ersten unabhängigen Staat Lateinamerikas, der zu Beginn der 19. Jahrhunderts durch eine Revolution vormals versklavter Menschen entstanden ist.

Der Schwarze Kritiker Carvell Wallace schrieb 2018, zur Premiere des ersten Black-Panther-Films, dass es neben der Frage, was der Film Schwarzen Amerikanern bringen wird, vielleicht noch eine wichtigere gibt: Was werden Schwarze Menschen zu Black Panther beitragen? "Der Film kommt als Produkt einer großen Firma auf den Markt, aber wir nutzen ihn für unsere eigenen Zwecke, posten eifrig, was wir zur Premiere tragen werden, kündigen die Größe der Gruppe an, mit der wir aufschlagen werden, und erklären, dass der 16. Februar 2018 'der schwärzeste Tag der Geschichte' sein wird", schrieb er in der New York Times. Black Panther ist als Franchisefabrikat vom Fließband gerollt, aber dennoch ein bisschen Gemeingut geworden.

Die Antwort auf die Frage, was weiße Zuschauer zu Black Panther 2 beitragen können, lautet vermutlich: wenig, außer es auszuhalten, mal fast drei Stunden lang als Schreckgespenst durch eine Filmhandlung zu spuken. Wie schon im ersten Teil kämpfen die Krieger von Wakanda in ihren wichtigsten Schlachten nicht gegen weiße Gegner, sondern gegen eine Armee of color, doch genügt die weiße Präsenz in der Welt als Drohkulisse, um alle durchdrehen zu lassen. Das ist klug, denn so bleibt Wakanda Forever eine Parabel über historische Schuld und ihr globales Fortleben, die ohne allzu plumpe Schurkenfiguren auskommt. Es ist eine Botschaft, die sogar noch die großartigen Bilder des Films überstrahlt.

"Black Panther" läuft in deutschen Kinos.

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